Wettbewerbsbeitrag | TAYLOR – teatro comune | Mannheim 2024
TAYLOR. Das ist für uns der Moment, wenn ungezählt viele Menschen einer Aufführung beiwohnen, ohne ein Ticket zu haben, wenn sich der Zuschauerraum in die Stadt aus- weitet – und das Theater auf einmal für alle da ist: teatro comune. Der Begriff »teatro comune« verweist auf die Co- media d’ell arte, die keine besondere Bühne für ihre Aufführungen brauchte. Sie spielte überall: auf freien Plätzen, leeren Straße, in einfachen Räumen – und die Leu- ten versammelten sich für einen kurzen Moment. Heute ließe sich mit Blick auf das Alltägliche im öffentlichen Raum sagen: »Theater ist nicht nur, wenn abends auf der Bühne ein Stück gespielt wird, Theater ist immer« (Mely Kiyak).
TAYLOR transformiert den Goetheplatz in einen Piazza della Comune.
Zugleich setzt sich unser Entwurf in unmittelbare Relation zur Theaterarchitektur. Mit der Generalsanierung öffnet sich erstmals wieder das obere Schauspielfoyer an der Stirn- seite des Gebäudes als »Fenster zur Stadt«. Unsere performative Installation versteht sich als Antwort auf diesen Blick: auf Augenhöhe mit dem Theater blickt die Stadt zurück. TAYLOR öffnet den Platz, spannt den städtischen Zwischenraum zu einem Foyer Publico auf und lässt die Stadt ins Theater hineinschauen. Auf diese Weise stärken wir die konzeptionelle Durchlässigkeit des Theaters und lassen mit Schiller probehalber »die Schranken des Unterschieds einstürzen«. TAYLOR selbst lädt ein für verschiedene Begegnungen und Aufenthaltsmöglichkeiten, zeigt sich durchlässig für den Lärm und die Luft der Stadt und wendet sich mit ihrer Rückseite den großen alten Bäumen zu. Taylor ist so zugleich eine Einladung in die Baumwipfel aufzusteigen, sich von ihrer Kühle umfassen zu lassen und einen neuen Blick auf die Stadt zu entdecken.
Unser Entwurf lässt sich von seinem Kontext und dem Mosaikfries von Hans Leistikow inspirieren – auf dem eingerahmt von einem silbernen Vorhang Figuren der Comedia d’ell arte zu sehen sind. Die Installation erinnert in ihrer Struktur an die einfachen hölzernen Wanderbühnen der Comedia d’ell arte, die eine simple bühnenhafte Infra- struktur und Kapazitäten bereitstellen und zu immer neuen Aneignungen einladen. TAYLOR aktiviert den Goetheplatz als vielfältig nutzbaren Raum, lädt mit ihren einfachen, stufenförmigen Sitzgelegenheiten zur informellen Nutzung ein und bildet eine Kulisse für das Theater des täglichen Lebens – auf einer sich neu aufspannenden Piazza della Comune. Zugleich eröffnet TAYLOR dem Theater unter- schiedliche Handlungsmöglichkeiten, so wäre etwa an die Möglichkeit zu denken, Aufführungen, Konzerte oder klei- nere Ausschnitte via Sound und/oder mobiler Leinwand von drinnen nach draußen zu übertragen, an eine Inszeni- erung oder an ein Konzert im oberen Foyer, die sich von TAYLOR aus beobachten lassen, an Open-Air-Aufführungen auf dem Platz oder aber auch an kleinere (Diskurs-)Formate rund um TAYLOR selbst.
TAYLOR versteht sich als performative Installation, was nicht zuletzt bedeutet, dass die Aktivierung des Platzes und der Installation wesentlicher Bestandteil des Projektes ist. In diesem Sinne soll ein Programm im Sinne eines Reallabors aus künstlerischen Arbeiten, Workshops und Diskussionen unter dem Titel REHEARSING FOR THE NOT- YET verschiedene Zukunftsszenarien der Stadt erproben und gesellschaftlich verhandeln. Perspektivisch könnte es – etwa mit Blick auf Institutionen wie das Theater Basel oder das Centquadre-Paris – darum gehen, zusammen mit dem Theater TAYLOR als neue Sparte ernst zu nehmen und gemeinschaftlich an einer Vision eines klimafreundlichen und hierarchiefreieren Raumes zu arbeiten, in dem sich (Nicht-)Publikum wie Theater selbst vermitteln und begegnen können.
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